Frühling 2020, die Sonne scheint und es stehen die alljährlichen Versammlungen der Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) an. Schnell die Word-Vorlage für die Einladung zur Eigentümerversammlung geöffnet – nebenbei trellert Phil Collins fröhlich aus dem Radio – und noch zwei Tagesordnungspunkte ergänzt. Kurz der Blick auf den Kalender um einen passenden Termin zu finden. Die Osterferien stehen vor der Tür, also schauen wir doch einmal Mitte April. Die Kolleg*in hat schon an einigen Tagen den Konferenzraum geblockt, aber ein Termin ist noch frei. Ort, Datum und Zeit wird in der Einladung notiert – fertig!
Die Gesamtabrechnung, die Einzelabrechnungen und die Wirtschaftspläne sind auch vorbereitet. Eine bekannte Stimme blechert aus der Röhre. Mama Merkel erzählt über die Sonntagssitzung und spricht von Kontaktverbot.
Kontaktverbot? Das lässt sich mit der gerade getippten Einladung zur Eigentümerversammlung nicht vereinbaren. Was nun?
Kontaktverbot durch die Folgen des Corona-Virus
Die Zeit hat zum Kontaktverbot folgendes geschrieben:
Nach Einschätzung von Bund und Ländern sei „nicht das Verlassen der Wohnung die Gefahr, die Gefahr ist der enge unmittelbare soziale Kontakt“, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. Deshalb sei ein Kontaktverbot ab zwei Personen nun nötig, um eine Unterbrechung der Infektionsketten „verhältnismäßiger, zielgerichteter und besser zu vollziehen“.
Ein Kontaktverbot ist kein Hausarrest: Bürgerinnen und Bürger in Deutschland dürfen weiterhin das Haus verlassen, beispielsweise für den Weg zur Arbeit und zurück. Dazu gehört auch die Teilnahme an erforderlichen Sitzungen, Terminen und Prüfungen. Quelle
Man solle den Kontakt mit anderen Mitmenschen, mit denen man nicht täglich im Kontakt stehe, vermeiden, sich nicht in großen Gruppen treffen. Das betrifft also auch eine Eigentümerversammlung. In anderen Bereichen wie beispielsweise dem Handwerk können die Arbeiten im und am Haus weitergehen. Diese Arbeiten dürfen auch weiterhin beauftragt werden, wenn es denn die Kapazitäten bei den Handwerksbetrieben zulassen.
Eigentümerversammlung – was wirklich wichtig ist
Einmal im Jahr, so schreibt es das Gesetz vor, muss eine Eigentümerversammlung abgehalten werden (§24, Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz).
Zur Abwehr darf der Verwalter, auch heute schon, wirklich dringende Themen in einer Immobilie nach Wohnungseigentümergesetz ohne Beschluss durchführen (§27, Abs. 1, Nr. 3).
Für die Eigentümerversammlung bleiben also noch Themen wie bauliche Maßnahmen, Instandsetzungen, Angebotsvergleiche und auch die Hausgeldabrechnung und der Wirtschaftsplan in manchen Fällen die Wiederbestellung des Verwalters.
Eigentümerversammlung – die zeitliche Komponente
Viele Eigentümer benötigen ihre Hausgeldabrechnung für die Einkommensteuer. Die Frist liegt dort für Privatpersonen ohne Steuerberater am 31. Juli des Jahres. Bei Beauftragung eines Steuerberaters verlängert sich die Frist bis Ende Februar des Folgejahres.
Die Gerichte sind der Meinung, dass die Hausgeldabrechnung mit einer Frist von in der Regel 3 bis höchstens 6 Monaten nach Ende des Wirtschaftsjahres erstellt sein muss (Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken, Beschluss vom 11.05.2007, Az.: 3 W 153/06; OLG Celle, Beschluss vom 08.06.2005, Az.: 4 W 107/05).
Für die Durchführung der Eigentümerversammlung sehen sie 9 Monate als ausreichend an (Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG), Beschluss vom 07.10.1999, Az.: 2 Z BR 76/99). Weitere gesetzliche Regelungen zur zeitlichen Einordnung der Aufgaben eines Verwalters existieren nicht. In der Teilungserklärung oder in der Gemeinschaftsordnung sowie durch Beschluss der WEG kann eine Frist zur Durchführung der Eigentümerversammlung festgelegt sein.
Gerade solch eine Frist könnte durch die Corona-Krise reißen, was die Eigentümer und Gerichte hoffentlich verstehen werden. Hier empfehlen wir bei kurzen Fristen in Verwalterverträgen und einer späteren Eigentümerversammlung die Ladungsfrist zu Verlängern, damit die Eigentümer mehr Zeit haben, sich auf den anderen Zeitraum einstellen zu können.
Festhalten können wir hier also, dass die Eigentümer eine Durchführung der Versammlung aufgrund der Abgabe ihrer Steuererklärung bis spätestens zum 31.07. des Jahres wünschen. Am besten natürlich ein wenig früher, um die Erklärung auch noch erstellen zu können.
Verschiebung einer Vielzahl von Eigentümerversammlungen – Das Jahr verlängert sich nicht
Schauen wir einmal auf die Arbeitsbelastung von Verwaltern: Nehmen wir einen Schnitt von 35 Eigentümerversammlung pro Jahr für einen Verwalter an (Schreiben Sie mir gern, wenn Sie deutlich darüber liegen. Darauf verweise ich hier gern in Zukunft).
Da Eigentümerversammlungen nicht an Feiertagen oder in den Schulferien stattfinden sollen (LG Karlsruhe, Urteil v. 25.10.2013, 11 S 16/13), bleiben im Schnitt als mögliche realistische Werktage für die Eigentümerversammlung rund 90 Tage des Jahres:
- Februar: 20
- März: 21
- April: 12
- Mai: 19
- Juni: 12 – 20
- Juli: 0 – 23
Viele Versammlungen finden auch aufgrund der Dauer der Heizkostenabrechnung erst ab Mitte März oder April statt. Nehmen wir also an, dass von den 35 Eigentümerversammlungen noch 30 offen sind.
Die Zeit wird knapp, Sie schaffen das
„Die Kontaktsperre wird frühestens nach den Osterferien ab 20. April aufgehoben“ so Kanzleramtschef Braun Quelle. Zugleich gehen Wirtschaftsinstitute davon aus, dass es mindestens bis Ende April starke Einschränkungen geben wird. Umfangreiche Einschränkungen im öffentlichen Leben und auch bei den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger könnten uns noch länger begleiten. Szenarien bis Ende Juni werden ebenso betrachtet Quelle. Ein konkretes Datum der Aufhebung einzelner Maßnahmen wird es voraussichtlich wirklich verbindlich nur sehr kurzfristig geben.
Wenn nun die Tage von Mitte März bis Ende April wegfallen, bleiben noch etwa 60 Arbeitstage im Mai, Juni und Juli über. Nehmen wir jetzt noch die Sommerferien mit hinein, so blieben in Mecklenburg-Vorpommern oder Hamburg und Berlin und Brandenburg noch 31 Arbeitstage bis Ende Juli übrig. Diese Betrachtung bezieht sich sogar auf eine schnelle Besserung der Covid-Fallzahlen.
Jetzt berücksichtigen wir noch die schlechte Planbarkeit der Aufhebung der Beschränkungen: Wir ziehen zwei Wochen plus Zustellungszeit ebenfalls von der verfügbaren Zeit ab. Für die Durchführung der Eigentümerversammlungen bis Mitte des Jahres bleibt demnach nicht mehr viel Zeit, um nicht zu sagen zu wenig Zeit.
Diese Zeit haben wir also nicht und die Jahresuhr hilft uns auch nicht dabei. Sprechen wir über Lösungen und gehen den Rest des Jahres mit viel Tatendrang an.
Erste gesetzliche Maßnahmen als Hilfe in der Corona-Krise
Das Bundeskabinett hat bereits reagiert und vorübergehend bis Ende 2021 folgendes beschlossen Artikel 2, §6:
- Der zuletzt beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen fort
- Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des WEG bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.
Unsere Empfehlung – nicht dringliche Themen verschieben
Wir empfehlen komplexe sowie nicht dringliche Themen auf später zu verschieben, wenn eine Zusammenkunft und somit eine Eigentümerversammlung, wie wir sie alle kennen, wieder möglich ist. Somit kann die Tagesordnung in den meisten Fällen auf die Tagesordnungspunkte zur Genehmigung der Abrechnungen (Gesamt- und Einzelabrechnungen) und des Wirtschaftsplans (Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne) beschränkt werden.
Unsere Empfehlung – Vollmacht erteilen
Für die Durchführung empfehlen wir den Eigentümern eine weisungsgebundene Vollmacht an den Verwalter zu erteilen. Was in diesen Zeiten die Gruppengröße bei der Eigentümerversammlung auf im besten Fall eins – nämlich den Verwalter – reduziert. Wie solch eine Vollmacht und die Einladung aussehen kann, haben wir für Sie hier zum download bereitgestellt.
Sollte sich an der Situation rund um die Kontaktsperre schneller etwas ändern, können die Versammlungen ohne Änderungen des Einladungsprozesses (vlt. auch dann in etwas kleineren Gruppen) wieder physisch gemeinsam stattfinden. Somit kann mit der Zeit versucht werden, die Anzahl der Tagesordnungspunkte wieder zu erhöhen.
Unsere Empfehlung – Transparenz schaffen
Gleichzeitig hilft es noch einmal, darauf hinzuweisen, dass Rückfragen zur Abrechnung und zum Wirtschaftsplan auf telefonischem oder schriftlichem Wege geklärt werden sollten. Im besten Fall werden solche Rückfragen kurz dokumentiert und das Ergebnis allen Beteiligten zur Verfügung gestellt. Dies kann einer Argumentation der fehlenden Diskussionsmöglichkeiten für eine Anfechtung entgegenwirken. Auch eine etwas längere Ladungsfrist ist aus unserer Sicht dafür förderlich.
Für diese Empfehlung lohnt sich ein Blick in die Teilungserklärung. Prüfen Sie bitte, ob Sie als Verwalter vertretungsberechtigt sind und welche Bedingungen für eine rechtssichere Bevollmächtigung erfüllt sein müssen.
Wie ist das mit dem Protokoll? Auch für diese Art von Versammlung muss ein Protokoll geschrieben werden. Denken Sie daran, die Beschlussfähigkeit festzustellen und die Ergebnisse der einzelnen Abstimmungen zu notieren.
Weitere Möglichkeiten
Keine Eigentümerversammlung – abwarten – Abrechnung versenden Wenn keine Eigentümerversammlung durchgeführt werden kann, rät der VDIV (Verband der Immobilienverwalter) dazu, den Eigentümern die Jahresabrechnung für steuerliche Zwecke bereits zur Verfügung zu stellen Quelle. Was nur, wenn sich diese Abrechnung im Nachgang als falsch herausstellt und die Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid bereits abgelaufen ist? Aus diesem Grund raten wir derzeit von dieser Möglichkeit ab, da dies im Nachhinein mit viel Ärger verbunden sein kann.
Online / Telefonkonferenz Von der Möglichkeit eine Eigentümerversammlung auf digitalem Wege abzuhalten kann nur Gebrauch gemacht werden, wenn darüber eine Vereinbarung, beispielsweise in der Gemeinschaftsordnung, besteht. Wir werden in unseren nächsten Blogartikeln auf dieses Thema noch einmal detailliert eingehen. Eines schonmal vorweg: an dieser Praxis wird sich durch die kommende WEG-Reform (noch) nichts ändern. Lediglich die Online-Teilnahme von Eigentümern an Präsenzveranstaltungen kann durch einen Beschluss bestimmt werden. Diese Teilnahme bedarf derzeit ebenfalls einer Vereinbarung in der Gemeinschaftsordnung.
Umlaufbeschluss Für einen Umlaufbeschluss müssen alle im Grundbuch eingetragenen Eigentümer schriftlich zustimmen, also eine originale Unterschrift auf Papier leisten. Vor allem in größeren Gemeinschaften dürfte das ein aufwändiges Unterfangen sein. Zustande kommt der Umlaufbeschluss, wenn er vom Initiator festgestellt und verkündet wurde.
Fazit
Auch in Zeiten von Corona finden wir Lösungen, die Beschlüsse in einer Eigentümerversammlung auch ohne den direkten Kontakt möglich machen. Eine gute Organisation der täglichen Aufgaben ist in diesem gefühlt verkürzten Jahr nun von besonderer Bedeutung. Gleichzeitig ermöglicht nun Homeoffice, sich auf die dringlichen Themen zu konzentrieren. Ein wenig Erleichterung in der täglichen Arbeit kann die WEG-Reform bieten. Einen ersten Überblick haben wir bereits Quelle einmal für Sie zusammengestellt. In den nächsten Wochen analysieren wir die einzelnen Punkte für Sie in diesem Blog und finden gemeinsam gute Lösungen.
Nutzen Sie gern unser Quelle zur Erweiterung der Vollmacht um die Weisungsbefugnis.
Wichtig: Die Informationen können sich jederzeit ändern. Handwerker können sich über den aktuellen Stand der Dinge tagesaktuell bei ihrer Handwerkskammer informieren. In einzelnen Gemeinden oder Kreisen in Deutschland kann es zu Sonderregelungen kommen.